Mobilität oder Verkehr?
Verkehr ist eine Ausprägung menschlichen Verhaltens. Und mit dem Verhalten ist das so eine Sache. Hast du mal was zu deiner Gewohnheit gemacht, ist es nicht leicht diese wieder zu verändern. So verhält es sich auch mit dem Verkehr. Wir und die Politiker, die Verkehr gestalten, haben von Kind auf gelernt, Verkehr ist Auto. Und Auto braucht Platz. Das ist für uns quasi gottgegebenes Gesetz, oder Schicksal oder einfach so, weil’s immer schon so war. Wie Sie wollen.
Dabei geht’s beim Verkehr ja mal grundsätzlich darum von A nach B zu kommen. Also um Bewegung, um Fortbewegung.
Julia bewegt sich auch gern. Julia ist vier, geht in den Kindergarten und will alles “selber” machen. So auch selber mit dem Rad und dem Papa in den Kindergarten fahren, nicht im Kindersitz. Aber das geht nicht. Kaum Radwege, zu viele Autos, zu gefährlich.
Wer anfängt, sich über Fortbewegung Gedanken zu machen, landet schnell beim Thema Gerechtigkeit.
Fußgängerinnen* bilden in der Stadt eine unterschätzte Gruppe von Verkehrsteilnehmerinnen. Es gibt eigentlich recht viele von ihnen, trotzdem werden sie immer an den Rand gedrängt. Also an den Straßenrand. Dabei sind die Fußgängerinnen eine Gruppe von Verkehrsteilnehmerinnen, die richtig viele Vorteile aufweist. Untereinander bauen Fußgängerinnen keine Unfälle, sie brauchen keine Geschwindigkeitsbegrenzungen, keine Parkplätze, ihre Wege sind relativ billig in der Herstellung und ihre geringe Fortbewegungsgeschwindigkeit bedingt, dass die Angebote in den Schaufenstern gesehen und gekauft werden.
Gehen kann fast jeder Mensch. Ob alt oder jung, arm oder reich. Und es ist gesund.
Aber viel öffentlicher Raum wird fürs Auto gebraucht und weil daher auf der Straße das Radfahren oft zu gefährlich ist, flüchten Radfahrerinnen auf Gehsteige und gefährden dort mitunter Fußgängerinnen. Der Straßenraum – hier scheint das Recht der Stärkeren zu gelten. Nicht gerade der richtige Platz für Julia, das Kindergartenkind.
Auch Radfahrerinnen standen bis jetzt kaum im Fokus der Verkehrspolitik, obwohl in diesem Sektor unglaubliches Potential steckt. Allein in Gleisdorf gibt es täglich 8.000 KFZ-Fahrten, die unter 3 Kilometer lang sind. Dafür brauchen Sie mit dem Rad nicht mehr als 12 Minuten.
Etwa die Hälfte aller Gleisdorferinnen wohnt quasi im Zentrum, im 1km-Umkreis vom Ortskern aus betrachtet. Zum Radfahren oder Gehen eine optimale Distanz.
Für Radfahrerinnen gilt dasselbe wie für die Geherinnen: Sie sind wirklich günstig für uns Steuerzahlerinnen. Ja, sie bringen sogar was ins System ein: 18 cent pro Kilometer für die Allgemeinheit! Weil Radfahrerinnen gesünder sind, ihre Infrastruktur weniger kostet und CO2 eingespart wird.
Beim motorisierten Verkehr schaut das leider anders aus. Die CO2-Emissionen auf Österreichs Straßen sind in den letzten Jahren quasi explodiert und liegen deutlich über den im Klimaschutzgesetz vorgesehen Werte. Auch wenn es heuer etwas weniger PKW-Neuanmeldungen geben wird, so wurden allein im letzten Jahr rund 330.000 neue Autos auf die Straßen gebracht. Und der Trend geht weiter - zu starken, großen und damit verbrauchsintensiven Modellen.
Die meisten Autos werden 23 Stunden am Tag nicht bewegt. Sie parken. Und dafür brauchen sie Platz. Ca. 12 Quadratmeter pro Fahrzeug.
Sie brauchen Platz. Dort wo wir wohnen und dort, wo wir arbeiten und einkaufen und Sport treiben oder Freunde besuchen.
Aus der Sicht der Autofahrer ist oft nicht genug Platz da. Nicht zum Fahren – Stichwort Stau – und nicht zum Parken. Und so regiert das Prinzip: Wo es staut, werden mehr Straßen und sowieso mehr Parkplätze gebaut. Genau da liegt der Fehler begraben!
Je mehr Straßen gebaut werden, desto mehr Autoverkehr kommt auf. Dieser Mechanismus ist sogar wissenschaftlich erforscht und nennt sich „Downs-Thomson-Paradoxon“.
Wollen wir also mehr Verkehr, also mehr bewegte, mobile Menschen auf Gleisdorfs Straßen unterbringen, dann gilt es dieses Paradoxon zu durchbrechen. Und dieses Mehr an Platz auf unseren Straßen brauchen wir. Weil unsere Stadt weiterwächst, weil sich hier weitere Betriebe ansiedeln, weil hier immer mehr Menschen leben und arbeiten. Und sich von da nach dort bewegen. Auf der anderen Seite müssen wir mit unserem Platz sparsam umgehen, weil wir Grünraum für unsere Lebensqualität benötigen und wir Emissionen senken müssen.
Wir brauchen also neue Möglichkeiten für unsere Mobilität. Denn auch Julia hat das Recht sich in ihrer Stadt bewegen zu können, hat das Recht auf frische Luft. Julias Verkehr ist nicht weniger wert, als unserer.
Verteilen wir unseren Platz gerecht, denken wir Mobilität neu. Für die Stadt der Zukunft und für uns.
*„In diesem Text wird in den einzelnen Begriffen nur die männliche oder die weibliche Form verwendet. Damit sind alle anderen Formen gleichermaßen mitgemeint.“
Quellen:
Das Downs-Thomson-Paradoxon:
https://de.wikipedia.org/wiki/Downs-Thomson-Paradoxon
Umweltbundesamt:
https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0740.pdf
Statistik Austria: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/energie_umwelt_innovation_mobilitaet/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_-_neuzulassungen/index.html
Der Standard: “Wie man eine Stadt fahrradfreundlicher macht”, 01.09.2019
Was wir machen wollen
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Freiheit in der Verkehrsmittelwahl: Nachhaltige Mobilitätsangebote für alle in nächster Umgebung. (Mobility Points, E-Carsharing, Öffentlicher Verkehr, Radwege, attraktive Gehwege)
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EinwohnerInnen sollen ihre Wege schnell und effizient erledigen können, ohne auf das private Auto angewiesen zu sein. Öffentliche Investitionen im Bereich Verkehr/Mobilität vorrangig auf Rad, Fuß und öffentlichen Verkehr lenken.